Sein und Zeit und Raum und Wort
Frankfurter Allgemeine Zeitung, 05.03.15
von Christoph Schütte

 

Wort für Wort hat die 1963 geborene Künstlerin in tage-, vielleicht wochenlanger Arbeit jedes einzelne „Sein“ aus dem mehr als 400 Seiten von Heideggers Hauptwerk ausgeschnitten und wie Käfer, Falter, Schmetterlinge jeden einzelnen der „Seins“- Begriffe so behutsam wie brutal auf Nadeln aufgespießt. Mag sein, das wird das „Sein“ als den „allgemeinsten“, in Wahrheit freilich, folgt man dem Philosophen, „dunkelsten“ Begriff kaum wirklich klären. Ein poetischeres, schlichteres, ein durchaus treffenderes Bild auch für den Zusammenhang von Sein und Zeit und Raum, wie es ihre im vergangenen Jahr entstandene Arbeit mit sanfter Ironie in der Frankfurter Galerie „Das Bilderhaus“ vorstellt, lässt sich indes zunächst einmal schwerlich denken.

Seit Jahren schon ist Krebbers Material im wesentlichen Sprache, Text mithin (Wörter, Silben, Lettern), und ist ihr Medium vornehmlich Papier. Das gilt für ihre- mit Hilfe des Cutters buchstäblich entleerten – Buchobjekte ebenso wie für ihre Installationen und die klassisch filigranen Papierschnitte. Doch während sie etwa vor zwei Jahren in Kunstkulturkirche Allerheiligen mit ihren frei schwebenden Textbändern gleichsam die Stimmen der Erinnerung in den durch nichts als Text und Sprache konturierten Raum entließ, sind die daraus hervorgegangenen aktuellen, auf Hölderlins „Mnemosyne“ basierenden „Knoten“, „Zeichen“, „Haufen“ nicht nur hinsichtlich des ungleich bescheideneren Formats doch noch einmal wesentlich intimer.

„Ein Zeichen sind wir deutungslos/Schmerzlos sind wir und haben fast/Die Sprache in der Fremde verloren“, hebt Hölderlins Hymnus an und mit jedem einzelnen, der in seinem Objektrahmen schwebenden „Knoten“, mit jedem neuen „Zeichen“ will es dem Betrachter scheinen, als lote Krebber die Dichtung formal noch einmal neu und immer wieder anders aus. Kaum mehr als ein, zwei Worte lassen sich jeweils entziffern, erscheinen Hölderlins mal federleicht durch den Raum mäandrierende, ineinander verschlungene und zu Haufen verdichtete Verse dort ornamental gewunden, gespiegelt und gedreht. Und doch, hier möchte man es wahrlich gern glauben: „Sonnenschein/Am Boden sehn wir und trockenen Staub/Und tief mit Schatten die Wälder und es blühet/An Dächern der Rauch.